Schnittblumenleben

oder der Anfang vom Ende

Ruhe da oben – ruft der Stängel streng. Die Blüten wispern aufgeregt. Endlich ist der Tag gekommen, soeben wurden sie geschnitten, aus dem Blumenbeet entfernt. So aufgeregt, klimpern mit den Wimpern und tuscheln, halten gegenseitig sich an feuchten Händen.
Der Stängel ruft: hört auf da oben. Haltet fest, die Fahrt geht los! Wir werden jetzt gleich weggebracht.

Der Gärtner dreht und wendet die drei Stile. Es sollten doch die Schönsten sein. Doch einer davon ist ganz kahl an einer Stelle und fällt direkt in den Abfalleimer rein. Die Blüten schreien, der Stängel weint. Schon klappt der Deckel – das war ja jetzt ein schnelles Ende. Die andern beiden Stile samt den Blüten sind wie erstarrt. Das neue Leben ist aber hart. Kein Laut mehr ist zu hören, als sie jetzt ins Wohnzimmer getragen werden.

Still und stumm, sie sehen Menschen in vier Wänden, die alle lachen und zusammen Musik machen. Die Freude in dem Raum, die Blumen können sie spüren und starr vor Schreck denkt jede jetzt von Ihnen: wären wir doch lieber im Blumenbeet geblieben …

vanga

Isolde und Johanna

Jeden zweiten Tag treffen sich die Beamtenwitwen um 11.00 Uhr im renommierten Schlößchencafe zum Sehen und gesehen werden.
Fein gemacht, der Hut mit Krempe, nehmen sie dort Platz. Schmuckbeladen – angefangen bei dem Ohrgehänge, glitzern kostbare Juwelen in ihrem Dekolleté. Armbänder und Reifen klimpern an den Handgelenken und jeder Finger ist sorgsam mit Gold oder Silber bestückt.
11.00 Uhr ist von der Zeit her fast zu früh, denn es brauchst Stunden, um sich für diesen Auftritt aufzurüsten.
Toilette machen, Schlupflieder kolorieren und kaschieren, die reife Haut unter teuren Stoffen zu verstecken. Der halterlose Strumpf mit Naht, auch er muss sitzen. Die Frisur soll halten, wenn nicht, dann bleibt der Hut halt auf!
So wird es elf, die Zeit, sie rast……………… der Tisch ist reserviert, wie jeden zweiten Tag.
Puh – es ist geschafft! Isolde und Johanna nehmen gegenüber Platz, trinken nach dem ganzen Stress beherzt den ersten Doppelkorn und nippen an dem *weißen Herbst*.

vanga
aus der Welt der schönen Worte

Und als er im Himmel ankam fragte er Gott: „Warum hast du mich nicht den anderen Teil meines zerbrochenen Herzens finden lassen und mich mein Leben lang mit dieser Sehnsucht gequält?“

Da stand er ihm mit Tränen in den Augen da und sagte: „Mein Sohn habe ich dich doch mit ganzem Herzen auf die Erde geschickt! Verzeih mir die Sehnsucht die du trotzdem verspürtest.“

Wenn wir den passenden anderen Teil nirgends auf der Welt finden, vielleicht tragen wir ihn dann schon in uns. Lass uns hier suchen!