Musterstücke

„Das ist doch gar nicht so schwer,“ sagt Minna, „das wirst du wohl schaffen. Schau dir das Muster genauer an, dann kannst du loslegen. „Klein Erna war nicht so überzeugt von ihren Künsten. Dabei konnte sie

doch so gut eigene Muster entwerfen. Aber nun lag das Musterblatt vor ihr. Ihre Aufgabe bestand darin, das Muster mit dem merkwürdigen Kopiergerät, das aussah wie ein kleines gezacktes Rädchen, über die schwarzen Linien zu fahren. So sollte es auf das Papier kopiert werden, das sie ausschneiden musste, um es dann auf den hübschen Stoff zu legen und mit einem Stoffstift zu umfahren. Klein Erna stockte, – immer wieder rutschte sie ab. Sie schwitzte.

Deshalb gab sie es bald auf. Es war ihr einfach zu blöd. Sie legte den Musterbogen bei Seite und nahm ein freies Blatt. Fast wie von selbst lief der Stift über das Papier. Blumenmuster waren Minnas Stärke. Zuerst eine Sonnenblume. Wunderschön. Sie stellte

sich eine blühende Sonnenblumenwiese vor und geriet ins Träumen. Wenn doch endlich wieder Sommer wäre. Das derzeitige Wetter machte sie noch ganz verrückt. Nichts Halbes und nichts Ganzes. Sie verlor die Lust am Schneidern. Ich nehme Paul und wir gehen trotz Regen eine Runde laufen. Paul freute sich, als sie die Leine holte, die Schuhe und die Regenjacke anzog und den Haustürschlüssel vom Haken nahm. Für ihn gab es kein Wetter. Er war einfach gerne draußen. Sie zog die Tür hinter sich ins Schloss und lief los. Das Haus, das neulich bis auf die Grundmauern abgebrannt war, war bereits komplett entfernt. Nur noch einiger Schutt und Abfall lagen herum. Hoffentlich wird das nicht zu einem Schandfleck hier im Dorf, dachte sie. Der Regen wurde stärker, aber sie hatte zum Glück einen kleinen Knirps im Rucksack. Paul lief ganz begeistert durch den Regen und durch die Pfützen und sie sagte sich, so gut war die Idee dann doch nicht.

So rief sie Paul und beide machten sich auf dem schnellsten Weg nach Hause. Nassgeregnet standen beide nun vor der Haustür und sie huschte schnell in der Waschküche, um ein trockenes Tuch für Pauls Beine von der Leine zu nehmen. Trockengerubbelt lag der Hund anschließend friedlich vor dem Kaminfeuer und mit einer Tasse heißen Tees in der Hand, setzte sich Erna neben ihn. Das Tuch lag noch an seiner Seite und die Schmutzreste, Striche und Streifen ergaben so ein interessantes Muster, in das Erna sich jetzt noch mehrere Blumen hineindachte. Sie legte es zum Trocknen auf den Sessel und schaute immer wieder erstaunt die so entstandene Skizze für ihre Vorlage an. Manches ergibt sich wie von selbst und draußen prasselte der Regen an die Scheiben und Paul war eingeschlafen.

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Wochenlese aus der Schreibwerkstatt – Gemeinschaftstexte von und mit
Ilona, Heidi, Gudrun, Toni, Hedi, Andrea, Almuth, Mirjam – und Ursel

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